Unsere Klasse 10 auf einer schwierigen Exkursion nach Fürstenwalde

„Das ist ja krass!“ und „Habe ich so nicht gewusst“ – so oder ähnlich entfährt es jeder Schülerin oder jedem Schüler der 10. Klasse der Oberschule Briesen mindestens einmal an diesem Schultag. Die Klasse ist am 27. November 2019 in Fürstenwalde unterwegs, aber unter der Führung von Christian Köckeritz und Guido Strohfeldt vom Museum Fürstenwalde und der Gesamtprojektleitung von Gabi Moser, Jugendsozialarbeiterin der Evangelischen Jugend, entwickelt sich der Besuch zu einem Blick in die Abgründe der Stadtgeschichte.
Die eine Hälfte der Klasse besucht die Samariter-Anstalten und blickt in ein dunkles Kapitel ihrer Geschichte: Welche Rolle spielte die Einrichtung während der NS-Zeit? Mitten in den heute so modern wirkenden Räumen geht es für die Schülerinnen und Schüler zurück in eine Zeit, in der NS-Ärzte zwischen „lebenswertem“ und „nicht-lebenswertem“ Leben unterschieden und die als minderwertig angesehenen Behinderten wissentlich dem Tod auslieferten. „Euthanasie-Morde“ ist das Wort, das die Jugendlichen später in einer spannenden Gruppenarbeit begreifen und anhand von bewegenden Schicksalen nachzeichnen.
Währenddessen wandert die andere Hälfte der Klasse die Eisenbahnstraße entlang, aber nicht zum Shoppen, sondern mit dem Blick zum Boden: Gesucht werden die „Stolpersteine“, jene Denkmäler für Fürstenwalder Bürger, die während der NS-Zeit wegen ihres jüdischen Glaubens schikaniert, deportiert oder in den Tod getrieben wurden. „Ich kenne diese Straße, aber das wusste ich nicht!“, sagt später ein ganz betroffener Schüler. Vor allem die vielen Informationen zu den Einzelschicksalen, die hinter den schlichten Steinen stecken, machen die Jugendlichen betroffen. Die wohlhabende jüdische Geschäftsfrau, die – gezwungener Maßen – ihre Vermögensauflistung unterschreibt und dann, nur ein paar Tage später, deportiert wird. Schicksal: unbekannt. Oder die jüdische Seniorin, die nach einem harmlosen Sturz keine medizinische Hilfe bekommt: Eine Verwaltungsvorschrift der Nazis legt das 1938 fest. Folge: Tod, ihr Ehemann wird kurz darauf deportiert.
Es sind die Einzelschicksale, die die Schüler berühren. Plötzlich verwandelt sich die „große“ Geschichte, wie sie im Unterricht erscheint oder in Büchern steht, in viele kleine Geschichten von ganz normalen Menschen. Und plötzlich geht es auch nicht mehr um Reichstag, Führerhauptquartier oder Auschwitz, sondern um Orte mitten in Fürstenwalde. „Das ist ja krass!“

Frau Schmidt
Klassenleiterin der Klasse 10

PS: Am 3. Dezember 2019 nehmen einige Zehntklässler mit ihrem Geschichtslehrer, Herrn Sahin, an der Verlegung neuer Stolpersteine in Fürstenwalde teil

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